Wilhelm Rosenthal
Wilhelm Rosenthal war das jüngste von insgesamt acht Kindern des Fürther Kaufmanns Emil Rosenthal und seiner Frau Maria, geb. Dispeker. 1889 kam er als Student nach München. Hier und in Nürnberg/Erlangen studierte er Jura und Staatswissenschaften. Schon damals zeigten sich seine vielfältigen Interessen, insbesondere seine Leidenschaft für Literatur und Theater. Darüber hinaus besaß er enorme organisatorische Fähigkeiten, die er später nicht nur beruflich als Rechtsanwalt nutzte, sondern auch in seinem bürgerschaftlichen Engagement für die Stadt München und für die dort lebenden Künstler.
Die Münchner Neuesten Nachrichten würdigten ihn anlässlich seines 60. Geburtstages als “eine jener vielseitigen Persönlichkeiten, die im Verlaufe ihres Lebens weit über ihr eigentliches Arbeitsgebiet hinaus anregend und fördernd gewirkt haben.”
So initiierte er 1890 als Zwanzigjähriger eine Akademische Lesehalle für Studenten im alten Rathaus. Er war Mitglied im Akademisch-Dramatischen Verein und gründete 1903 den “Neuen Verein” als Nachfolgeorganisation. Er blieb 1. Vorsitzender bis 1914. Wesentlich beteiligt war er an der Gründung des Münchner Künstlertheaters, der Münchner Volksbühne, des Dreimaskenverlags und der Münchener Lichtspielkunst AG (EMELKA), zu der auch das Studiogelände in Geiselgasteig gehörte.
1904 traten er und seine Frau Lisette (Sethi) in den Verein für Fraueninteressen ein. Der Aufruf „An die geistigen Arbeiter!“ vom 12. November 1918, der vier Tage nach der Proklamation des Freistaates Bayern, u. a. von Wilhelm Rosenthal und einem weiteren Vereinsmitglied (Ricarda Huch) formuliert und unterschrieben wurde, zeigt die gemeinsamen geistigen Grundüberzeugungen: das Bekenntnis zu einem demokratischen Rechtsstaat und einer liberalen und sozialen Gesellschaftsordnung.
Schon lange vor 1933 bekamen Wilhelm Rosenthal und seine Familie die Folgen des frühen Aufstiegs der Nationalsozialisten in München zu spüren. Dies lässt sich beispielhaft an der Hetzkampagne der Nationalsozialisten gegen den Stummfilm “Nathan der Weise” nachvollziehen. Dieser Film, der an das gleichnamige Theaterstück von Lessing und damit an das humanistische Toleranz-Ideal der deutschen Aufklärung anknüpfte, wurde von der EMELKA AG produziert. Wilhelms Sohn Emil war Aufnahmeleiter dieses frühen Monumentalfilmes. Die Aufführung in den Münchner Kinos wurde 1923 von den Nazis erfolgreich verhindert, da der bayerische Staat seiner Aufgabe, die Kulturfreiheit gegen seine Verächter zu schützen, nicht nachkam (vgl. M. Brenner, Nathan, der Geächtete).
Wilhelms Frau Lisette starb bereits 1927. Wilhelm verlor unter dem Vorwand, dass er schon lange nicht mehr als Anwalt tätig gewesen sei, bereits 1933 seine Anwaltszulassung. Wogegen er aber erfolgreich klagte. Die Aufregung darüber mag zu seinem frühen Tod im gleichen Jahr beigetragen haben.
Autorin: Christa Elferich
